Die Solidarwirtschaft als Raum für gesellschaftliche Experimente

Romain Biever, julho 2010

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Resumo :

Als Initiator und Förderer eines 1984 aufgenommenen Projekts zur Eingliederung von Arbeitslosen in Luxemburg stieß ich Anfang der 90er Jahre zum ersten Mal auf den Begriff „Solidarwirtschaft“.

Dieser Begriff weckte damals bei mir größtes Interesse, da das Umfeld, in dem ich die Projekte für den Eingliederungsverein vorantreiben sollte, mir nicht die Möglichkeit zur Berücksichtigung folgender Aspekte gab: erstens Einbeziehung der Persönlichkeit des Individuums als solche; zweitens grundlegendes Hinterfragen der Funktionsweise des dominierenden Wirtschaftssystems; drittens Erkennen erster Anzeichen für neue Möglichkeiten einer Solidarität, die auf bürgerschaftlichem Engagement basiert; viertens demokratische Einflussnahme auf die politischen Leitlinien.

In der Tat bestand die Maßnahme, die bezüglich der genannten Punkte erlaubt war, erstens darin, Menschen einseitig weiterzubilden oder vielleicht besser gesagt zu programmieren, um sie dazu zu befähigen, eine Beschäftigung zu finden. Zweitens sollte das „Eingliederungsunternehmen“ (Produktion von Gütern und Dienstleistungen für das Gemeinwohl) in das Gefüge des dominierenden Wirtschaftssystems eingepasst werden, und zwar in dem Bewusstsein, dass die traditionelle Sozialwirtschaft, die vor allem auf Produktionsgenossenschaften aufbaute, keine absolute Alternative zum Modell des kapitalistischen Unternehmens war. Drittens sollte für den „schwachen“ Teil der Bevölkerung gesorgt werden, ohne gemeinsame Überlegungen auf gesellschaftlicher Ebene zu der neuen gesellschaftlichen Vielfalt anstoßen zu können. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Eingliederung davon ausgeht, dass es zwei Arten von Bürgern gibt: diejenigen, die über eine Beschäftigung und über einen gewissen Wohlstand verfügen, und diejenigen, die arbeitslos sind und von den sozialen Transferleistungen der Erstgenannten abhängen. Dies bewirkt eher, dass ein Beitrag zur Betonung der Entsolidarisierung der Gesellschaft geleistet wird. Viertens sollte blind an der bestehenden wirtschaftlichen Entwicklung teilgenommen werden, um so jegliches Handeln als „Gemeinschaft der Bürger“ (gemäß der Soziologie des 19. Jahrhunderts) für eine demokratische Entwicklung der Gesellschaft zu vermeiden. Dies umso mehr, da das durch die Eingliederungsinitiativen bewirkte Handeln letztlich mehr einer Politik diente, die das ultraliberale Wirtschaftsmodell aufrecht erhielt, als der Emanzipation und der Berücksichtigung bürgerschaftlicher Bestrebungen.

Die Fragen zu den moralischen und politischen Werten in Verbindung mit Konzeption und Handeln der Solidarwirtschaft waren also formuliert.